„Ich bin tot“, würde Marlis N. sagen. „Dank meiner Palliativärztin hatte ich ein friedliches Sterben – ohne dass meine Lebenszeit verkürzt wurde.“ Das ist eines der Zitate, mit denen Verstorbene am Welthospiztag, dem 9. Oktober, „zu Wort“ kommen sollen. Hospiz- und Palliativdienste wollen an diesem zentralen Gedenktag zeigen, was Hospizarbeit und Palliativversorgung bewirken können. Der Welthospiztag steht diesmal unter dem Motto „Leben! Bis zum Schluss“.
1.500 ambulante Hospizdienste in Deutschland
In Deutschland können Betroffene derzeit die Hilfe von etwa 1.500 ambulanten Hospizdiensten kostenfrei in Anspruch nehmen. Einer dieser Dienste ist der Erwachsenenhospizdienst Mosbach. Dort sind 26 qualifizierte Frauen und Männer ehrenamtlich im Einsatz und schenken Betroffenen Zeit für Gespräche, Zuhören oder Seelsorge. Sie begleiten Schwerstkranke und Sterbende zu Hause, im Pflegeheim oder Krankenhaus und stehen den Angehörigen bei. Hospizkoordinatorin Olga Schmelcher-Kölbel organisiert bei Bedarf weitere Hilfen wie die Palliativversorgung. „Das Leben kann gut zu Ende gehen, ohne es künstlich zu verlängern oder zu verkürzen“, ist Schmelcher-Kölbel überzeugt. „Aber der Patient muss gut begleitet sein.“
Der hospizlichen Fürsorge steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf selbstbestimmtes Sterben entgegen, welches der diesjährige Welthospiztag thematisch aufgreift. Das Gericht hatte im Februar 2020 das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe gekippt. Dadurch ist die gesellschaftliche Diskussion um die Suizidbeihilfe neu entflammt.
Schwerstkranke, die den Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben äußern, habe auch Schmelcher-Kölbel schon vereinzelt erlebt. Dass manche Patienten diesen Gedanken haben, weil sie die Alternativen nicht kennen, könne die Hospizkoordinatorin verstehen. Schmelcher-Kölbel möchte aufklären: „Jeder soll wissen, welche Unterstützung es für ein würdevolles Leben bis zum Schluss gibt.“ Sie zählt auf: „Ambulanter Hospizdienst, Palliativversorgung, ambulante Pflege, Palliativstation, stationäres Hospiz, Seelsorge – es gibt viele Möglichkeiten.“
Hospizliche Begleitung und Palliativversorgung berücksichtigen die Ängste der Patienten vor Schmerzen, dem Alleinsein oder dem Gefühl, anderen zur Last zu fallen. Laut Deutschem Hospiz- und Palliativverband (DHPV) zeige die praktische Erfahrung, dass Menschen vom Sterbewunsch Abstand nähmen, wenn sie sich bei schwerer Krankheit und am Lebensende gut begleitet und versorgt wüssten.
Die Ehrenamtlichen des Erwachsenenhospizdienstes unterstützen Schwerstkranke individuell bei der Gestaltung der verbleibenden Lebenszeit. Als Gerhard Kohler beispielsweise einen Mann begleitete, dem die Gartenarbeit trotz schwerer Krankheit wichtig war, sind die beiden oft zum Gartengrundstück gefahren. Die Kartoffeln hatte der Patient noch selbst gepflanzt – geerntet hat er sie gemeinsam mit dem Hospizbegleiter.
Oft brauche es gar nicht viel; da reiche schon Zuhören, weiß Kohler. Er begleitete einen Mann, der in den Wirren des zweiten Weltkrieges aufgewachsen war und ihm seine Lebensgeschichte erzählen wollte. In fünf Besuchen schilderte der Patient sein ganzes Leben. Dann war alles gesagt. Zwei Tage später starb er. „Das sind Schlüsselerlebnisse, die die Hospizarbeit besonders machen“, meint Kohler.
Helfen bei letzten Wünschen
Dass das Leben trotz schwerer Krankheit lebenswert sein kann, sieht Hospizbegleiterin Hildegard Ehret. Seit über vier Jahren begleitet sie Caroline Reznik, die an amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidet. ALS ist eine lebensverkürzende degenerative Nervenkrankheit, bei der nach und nach alle Körperfunktionen verloren gehen. Wie ein „Sterben in Zeitlupe“ beschreibt Reznik es in ihrem gleichnamigen Buch. Trotz mittlerweile nahezu vollständiger Lähmung sei die Patientin zufrieden. Als Reznik sich wünschte, ihren minderjährigen Sohn in seinem neuen Zuhause zu besuchen, vermittelte Hospizbegleiterin Ehret den Letzte-Wünsche-Wagen, mit dem der Rollstuhltransport möglich war. So konnte Reznik einen Eindruck gewinnen, wie ihr Sohn in Zukunft aufwachsen werde.
Der Erwachsenenhospizdienst Mosbach setzt sich seit 25 Jahren für die Belange von Schwerstkranken und Sterbenden ein und hilft durch einfühlsame Begleitung am Lebensende. Am Welthospiztag möchte der Dienst seine Arbeit mit einem Infostand in der Mosbacher Fußgängerzone vorstellen. Dort werden auf großen, vom DHPV gestalteten Bodenplakaten fiktive Zitate von Verstorbenen zu lesen sein.