Die Bürokratie in der Alten- und Krankenpflege hat Dimensionen angenommen, die jegliches vernünftige Maß überschreiten. Seit Jahren stöhnen Pflegekräfte über die immer umfangreichere Papierflut, die ihnen abverlangt wird. Trotz runder Tische zur Entbürokratisierung der Pflege tut sich - nichts! Bereits 2004 wurde vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit ein runder Tisch der Pflege gegründet, der seither dem Ziel, die Pflege von unnötiger Bürokratie zu entlasten, keinen Schritt näher kam.
Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage der kirchlichen Sozialstationen und des bestehenden Fachkräftemangels muss der Umstand beleuchtet werden, dass Pflegedokumentation und Qualitätsmanagement, welches den Sozialstationen von den Kassen abverlangt wird, enorme personelle und damit finanzielle Ressourcen verbraucht. Pflegeanamnese, Pflegeplanung, Pflegeablaufpläne, Leistungsdokumentation, Risikoerfassung und die daraus resultierende Beratung, Fortbildung u. v. m. , sowie das komplette Qualitätsmanagement sind keine refinanzierten Leistungen, sondern müssen zusätzlich zur Pflege erbracht werden. Der Gipfel dieser Sachlage ist, dass die Kassen nur die am Kunden erbrachten pflegerischen Leistungen erstatten. Für die Papierflut zahlen sie den Pflegekräften keinen Cent! Die kirchlichen Sozialstationen kämpfen wegen des unsinnigen Zeitaufwandes fär die Bürokratie schon jetzt um ihren finanziellen Ausgleich und müssen sie um ihre Existenz fürchten.
Tippen Sie mal, wie viel ihrer Arbeitszeit eine Krankenschwester in der Alten- und Krankenpflege mit Pflegetätigkeit ausfüllt: 100, 90, 75 %? Sie werden es nicht glauben: wir sprechen mittlerweile von 40 % der Arbeitszeit einer Pflegekraft nur für Bürokratie (Angaben des statistischen Bundesamtes); dieses Verhältnis ist nicht mehr angemessen. Allen Orts wird von demografischer Herausforderung gesprochen, von Kosten, die durch Hochaltrigkeit und vermehrte Pflegebedürftigkeit auf die Gesellschaft zukommen werden und trotzdem werden schon heute Gelder aus der Pflege- und Krankenversicherung für Bürokratie verbraucht, die wesentlicher nutzbringender beim Pflegebedürftigen selbst angelegt wären!
In der Pflegeversicherung kostet der Bürokratie-Wahnsinn in der Bundesrepublik 2,7 Milliarden Euro; in der häuslichen Krankenpflege sprechen wir von 191 Millionen Euro! Die Mehrausgaben der Pflegeversicherung durch das im Januar 2013 eingeführte "Pflege- Neuausrichtungs-Gesetz", welches verbesserte Leistungen vor allem für demenzkranke Menschen vorsieht, betragen 0,98 Milliarden- die Relation von Bürokratie und tatsächlicher Leistungs- Finanzierung stimmt nicht.
Es steht außer Frage, dass professionelle Pflege sich nach neuesten Erkenntnissen der Pflegewissenschaft richtet; Pflegedokumentation ist wichtig: als Planungsinstrument, für Informationsweitergabe wie für haftungsrechtliche Verfahren; jedoch müssen Aufwand und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Wenn Kunden die Schwester vermehrt fragen: "Was schreiben Sie denn schon wieder?", wird klar, dass die gepflegten Menschen andere Bedürfnisse als eine prall gefüllte Patientenakte haben. Die Pflegekraft ist oft der einzige Mensch, den vereinsamte Senioren am Tag zu Gesicht bekommen. Würdevoller Umgang, Empathie und soziale Beziehungen sind keine wirklich messbaren Größen, doch sie beeinflussen entscheidend die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen; für diese Lebensqualität muss Zeit und Raum bleiben!
Die kirchlichen Sozialstationen werden durch die Träger- Kirchengemeinden mit Mitgliedsbeiträgen unterstützt; diese Mitgliedsbeiträge sollen dazu dienen, würdevolle Pflege leisten zu können: Sterbende und deren Angehörige zu begleiten; Pflege auch dort zu erbringen, wo die Finanzierung durch die Pflegekasse oder den Pflegebedürftigen selbst nicht gewährleistet ist; für Menschen in Notlagen Zeit zu haben- doch die Realität sieht so aus, dass die chronische Unterfinanzierung der Sozialstationen durch die Kassen mit den Mitgliedsbeiträge ausgeglichen werden muss. Die Kirchengemeinden sind nach unserer Auffassung jedoch nicht dazu da, Systemfehler der Refinanzierung auszubügeln, sondern ihrem caritativen und diakonischen Auftrag nach zu kommen! Das Missverhältnis zwischen Leistung und Bezahlung wird auf dem Rücken derer ausgetragen, die von den Mitgliedsbeiträgen der Kirchengemeinden profitieren sollten: die Schwachen, Armen und Hilfebedürftigen unserer Gesellschaft.
Unsere Forderung: Wir brauchen wieder das richtige Maß, Altenpflege, statt Aktenpflege; wir brauchen faire Refinanzierung unserer Leistungen, damit auch in Zukunft die flächendeckende ambulante Versorgung der Bevölkerung gewährleistet bleibt.
Unterstützen Sie die Kampagne von Diakonie und Caritas durch Ihre Unterschrift bei der Online- Petition auf <link http: www.pflege-hat-wert.de>www.pflege-hat-wert.de -vielen Dank!